Liebe Unterstützer*innen!
2025 ist nicht gerade so gestartet, wie es mir lieb gewesen wäre. Doch am Tag des Zerbrechens der Koalitionsverhandlungen erreichte mich ein Anruf, der mir Hoffnung gab. Hoffnung auf ein Erstarken der Zivilgesellschaft, Hoffnung auf Zusammenhalt, Hoffnung auf ein entschiedenes Nein zur politischen Marschrichtung der Spaltung, des Hasses und des Gegeneinanders.
Ich wurde eingeladen, eine Rede bei der Donnerstagsdemo um 18:00 Uhr am 16.01. bei der Annasäule in Innsbruck zu halten.
Doch dann… zack... biegt das verdammte Virus wieder einmal um die Ecke und verursacht bei meinem Sohn mit dem ersten Fieberschub seinen ersten Fieberkrampf seit sieben Jahren. Statt Rede heißt es nun Krankheit und Pflege. Jetzt werde ich jedes andere Medium nutzen, um euch a) meine Ängste und Sorgen mitzuteilen und euch b) einzuladen, mich zu vertreten. Also:
Mir fällt die verdammte Corona-Pandemie wieder ein. Auch ich war eine von denen, die dieses Feld eigentlich für verloren hielten. Ich dachte: Gras drüber wachsen lassen. Irgendwann werden die Wunden der gekränkten Freiheitsberaubten heilen, und dann werden sie wieder vernünftig denken (und wählen). Das war fatal. Jetzt wird mir wieder klar: Gemeint waren mit den "Lösungsansätzen" der FPÖ damals auch schon wir. Wir Schwachen mit Vorerkrankungen, wir Angsthasen, wir, die auf ein funktionierendes Gesundheitssystem angewiesen sind. Wir sollen eigenverantwortlich entscheiden: Sterben oder doch verstecken. Das ist im Kern ihre Denke: Alles "Ungleiche" muss weg. Rücksicht, Solidarität, Zusammenhalt? Alles Märchen. Freiheit ist für sie die Freiheit des Stärkeren. Und stärker ist per Definition der weiße, autochthone, gesunde Mann. Der Rest soll schauen, wo er bleibt. Stört unser großes ICH nicht mit eurer Schwäche, eurer Andersartigkeit.
Wir stehen an einem Wendepunkt. Nicht nur, weil Österreich demnächst einen rechtsextremen Kanzler haben könnte (ja, ich traue mich das noch zu schreiben), sondern vor allem, weil dieses rechte Denken beginnt, als "normal" wahrgenommen zu werden. Die Hetze gegen auf Mindestsicherung angewiesene Familien ist hier ein Paradebeispiel. Vorerst kommt das alles im – in Österreich leider schon immer salonfähigen – Schleier des Rassismus daher. Empörung wird geschürt. Vergleichsdaten ausgespart, kurzerhand verschwiegen, dass jede 7-köpfige Familie in Wien genau diesen Mindestbeitrag zum Leben bekäme, so getan, als wären es die lächerlichen 2,7 % des Sozialbudgets, die für Mindestsicherung und Flüchtlingshilfe insgesamt ausgegeben werden, die uns in den Ruin getrieben hätten. Ist die Empörung groß genug, nutzt man dies gleich, um genuin Menschenrechte zu relativieren, internationale Abkommen wie die Genfer Konvention zu hinterfragen... Denn hej: Das Recht hat der Politik zu folgen!
Doch gemeint sind nicht "nur" syrische Flüchtlinge – Menschen, denen von einem grausamen Regime ihre Lebensgrundlage und Würde geraubt wurde. Gemeint sind alle, die nicht ihrer Vorstellung von Leistungsfähigkeit entsprechen. Gemeint sind Kinder mit Behinderungen – das steirische Regierungsprogramm sieht klar die Beendigung inklusiver Schulmodelle vor. Eh schon Tradition: Die UN-BRK wird offen missachtet. Denn hej, Recht hat der Politik zu folgen. Gemeint sind Frauen in Notsituationen – wir erinnern uns an Aussagen, dass Frauenhäuser Ehen zerstören würden. Gemeint sind armutsgefährdete Menschen – wir erinnern uns an das Zerschlagen des Grundsicherungsmodells. Gemeint sind Menschen, die auf ein funktionierendes Gesundheitssystem angewiesen sind – wir erinnern uns an die "Patientenmilliarde" und ganz aktuell den vorgeschickten SVS-Chef, der uns erklärte, dass ein System ohne ausreichende Heilbehelfe, ohne Kinder-Reha nach Krebserkrankungen, ohne Versorgung chronisch Kranker bei postviralen Erkrankungen und ohne Therapien für psychisch erkrankte Kinder ein Mercedes und kein Volkswagen sei. Gemeint sind auch alle, deren Art zu leben, zu lieben, zu denken nicht ihrer Norm entspricht: homosexuelle Paare, intersexuelle Menschen. Gemeint sind Frauen, denen "mitgemeint" zu sein nicht genügt. Gemeint sind Lehrer, die laut Zitat "ihre Tätigkeit für die politische Beeinflussung der Schüler missbrauchen" und dafür bei einer Meldestelle gemeldet werden sollen. Beruhigt bin ich, dass ich als Lehrer:IN da wohl nichts zu befürchten habe.
Gemeint sind WIR. Wir als woke Beschimpfte, wir Gutmenschen, wir Träumer. Wir mit einem großen WIR.
Lasst uns träumen. Lasst uns zusammenstehen. Sagen wir gemeinsam Nein! Nein zu einer Politik, die Hass schürt, soziale Kürzungen durchsetzt, Barrieren aufrechterhält und die Rechte von Minderheiten untergräbt. Nein zu einer Politik, die das Hintreten auf Menschen normalisiert, die spaltet statt verbindet. Programme zur Inklusion drohen gestrichen, soziale Absicherung geschwächt und demokratische Strukturen ausgehöhlt zu werden. Gerade jetzt müssen wir laut sein. Für eine Gesellschaft, in der Vielfalt als Bereicherung gilt und nicht als Bedrohung. Für ein Bildungssystem, das allen Kindern gerecht wird. Für ein soziales Netz, das niemanden fallen lässt. Für ein politisches Klima, in dem Respekt, Zusammenhalt und Mitmenschlichkeit an erster Stelle stehen.
Die Donnerstagsdemo am Donnerstag, dem 16.01., um 18 Uhr bei der Annasäule in Innsbruck ist nicht nur eine starke Stimme für Inklusion, gegen Ableismus, Rassismus und Frauenhass – sie ist ein Bekenntnis zu einer solidarischen Zukunft. Bleibt laut, bleibt sichtbar, bleibt solidarisch! Geht hin!
In Gedanken mit euch und auf einen baldigen Donnerstag in Anwesenheit!
Sonja Tollinger